Der lange Weg zu einem historischen Erfolg

1. Herren des TSV Venne ist Kreisligameister der Saison 2021/2022 – jetzt steht die Aufstiegsrunde zur Bezirksliga an

Am Ende war es eigentlich nur noch eine Frage des ‘Wann?’. Fünf Spieltage vor Schluss hatte sich der TSV ein Polster von 13 Punkten Vorsprung erarbeitet, es genügte also ein Patzer der Konkurrenz oder ein eigener Sieg zur rechnerisch feststehenden Meisterschaft. Doch viel entscheidender als dieser letzte Schritt waren all’ jene auf einem langen und beschwerlichen Weg zu einem der größten Erfolge unserer Vereinsgeschichte. Wir blicken zurück.

Nico Fehlhauer übernimmt mitten im Corona-Chaos

Eigentlich müssten wir noch deutlich weiter zurückschauen. Denn die Entwicklung von einer “grauen Maus vom kleinen Dorf”, die in der Regel zwischen Kreisklasse und Kreisliga pendelt, hin zu einem ambitionierten und attraktiven Kreisligisten, welcher sich spätestens durch spektakuläre Auftritte unter dem Hallendach im gesamten Osnabrücker Umkreis einen Namen gemacht hat, begann vor ungefähr zehn Jahren. Ralf Strätgen hat unserer ‘Ersten’ neues Leben eingehaucht, sie zurück in die Kreisliga geführt und dort im oberen Tabellenbereich etabliert. Und in einer kritischen Phase für die gesamte Fußballabteilung, in welcher der Blick deutlich nach unten gerichtet war, stabilisierte Jörg Baumann die junge Truppe und legte so den Grundstein dafür, dass aus Talenten etablierte Kreisliga-Fußballer gereift sind.

Im Hintergrund zog der sportliche Leiter Jochen Thelker seit Jahren die Fäden. In enger Abstimmung mit weiteren Entscheidungsträgern und Führungsspielern gelang man zu der Erkenntnis, dass die Rahmenbedingungen beim TSV Venne in dieser Phase so gut waren wie nie zuvor. Innerhalb der Abteilung wurde professionell gearbeitet, das gesamte Umfeld hatte richtig Lust und auf dem Platz stand – auch dank eines einmalig guten Jahrgangs – eine Mannschaft, die großes Potenzial besaß. Und so entschied man sich, mit Nico Fehlhauer einen erfahrenen und ehrgeizigen Trainer an Bord zu holen, welcher die sportlichen Ambitionen teilt und die theoretischen Möglichkeiten bestmöglich auf den Platz bringen sollte.

Der TSV verlernt zu verlieren

Nun, was sollen wir sagen? Wer die letzten beiden Jahre verfolgt hat, der kann sich ausmalen, dass eine ganze Menge ganz gut funktioniert haben dürfte. Dabei war der Start alles andere als einfach. Aufgrund der Corona-Regularien durfte anfangs nicht vernünftig trainiert werden, außerdem kam es im Herbst erneut zu Einschränkungen und Einstellung des Spielbetriebs, was sich bis zum Sommer 2021 hin nicht mehr änderte. Die erste Saison wurde somit abgebrochen, doch ein Blick auf die wenigen Ergebnisse in Test- und Ligaspielen zeigte bereits: Der TSV entwickelte eine Gewinner-Mentalität und konnte auch mit klassenhöheren Teams mithalten. In der Liga verlor man gar kein Spiel und kämpfte mit Bohmte um Platz eins. Es ist müßig zu diskutieren, wie die Saison geendet wäre, wenn es keinen Abbruch gegeben hätte. Eine gewisse Tendenz war aber hier bereits abzusehen.

Einen großen Anteil am Erfolg hatten auch die Neuzugänge, welche das Team in der Breite und Spitze nochmal einen großen Schritt nach vorne gebracht haben. Jungs wie Dimitri Breinert, Sven Hermann, Leon Schmeddes oder Lennart Holtmeyer hatten “Bock” auf die Mannschaft und den Verein, mit ‘Tadde’ kehrte ein halbes Jahr später ein weiterer Topspieler zum TSV zurück. Und spätestens jetzt spürte jeder: Hier ist noch einiges möglich.

Außerhalb des Platzes bewegte sich ebenfalls eine Menge. Das Zusammenspiel zwischen Mannschaft, Trainer und Fans funktionierte überragend gut und alle zogen an einem Strang. Die Fußballabteilung wuchs weiter, denn parallel wurden mit der dritten Herren und einiger neuer Jugendteams weitere Mannschaften gemeldet. Im Verein musste erstmals über alle Bereiche hinweg viel kommuniziert und organisiert werden, was besonders in Person von Jochen Thelker und Nico Fehlhauer mit großer Sorgfalt übernommen wurde.

Nichtsdestotrotz bleibt ein kleiner Dorfverein nun mal ein kleiner Dorfverein. Gelder für die Infrastruktur müssen selbst beschafft werden, von einem Kunstrasenplatz oder modernen Kabinentrakt, wie sie andere Vereine in der Umgebung zur Verfügung haben, kann man in Venne derzeit nur träumen. Und deshalb packte besonders die ‘Erste’ auch außerhalb mit an und half mit, den Verein im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten voranzubringen. Renovierung der Kabinen, Pflege der Rasenplätze, Aufräumen der Garagen…es waren solche Dinge, die für einen zusätzlichen Schub des Gemeinschaftsgefühls sorgten und sorgen.

Meistersaison 21/22 – Schicksalsschlag stellt alles in den Schatten

Mit neuem Elan ging es die laufende Saison. Der Kader blieb weitestgehend zusammen, zumindest gab es keine externen Zu- oder Abgänge. Als Highlight galt die Saisoneröffnung im Mühlenbachstadion, zu welcher der Regionalligist BSV Rehden mit Addy Waku-Menga anreiste. Addy selber konnte nicht mitspielen, seine beiden Brüder Tardeli und Christian wirbelten dafür die Rehdener Abwehrreihe ordentlich durcheinander. Der TSV gewann vor ca. 400 Zuschauern mit 3:1 und konnte sich über einen gelungenen Tag mit tollem Rahmenprogramm freuen.

Nach den ersten Siegen in den Ligaspielen wurde schnell deutlich, dass die Mannschaft auch in dieser Saison eine gute Rollen spielen wird. Die ärgsten Konkurrenten aus Melle und Bohmte brauchten etwas mehr Anlaufzeit, weshalb der TSV von Anfang an als Tabellenprimus vorweg marschierte.

Doch dann kam der Morgen des 03.10.2021. Am Abend zuvor fand erstmals wieder das Oktoberfest der Fußballabteilung statt, sodass die schreckliche Nachricht den Ein oder Anderen erst im Laufe des Tages erreichte. Denn es war der Morgen, an welchem der Mitspieler, Freund und Bruder Christian Ndombasi bei einem Autounfall verstarb.

Verein und Mannschaft waren in absoluter Schockstarre. Der Spielbetrieb wurde vorübergehend eingestellt, es wurden viele Gespräche geführt und die Familie von Christian versucht bestmöglich zu unterstützen. Diese Zeit hat jeden Einzelnen geprägt und verändert. Auf einmal schien Fußball vollkommen unwichtig. Man fragte sich, wie man sich in der Vergangenheit überhaupt so viele Gedanken zum sportlichen Abschneiden in einer Kreisliga machen konnte, wo es doch so viele wichtigere Themen auf dieser Welt gibt.

Und dennoch hat der Fußball auch hier wieder eine besondere Rolle gespielt, denn es baute sich in unserer Region eine unfassbare Welle der Solidarität auf. Egal, ob Gegner, Rivalen, Ex- oder Mitspieler…das Mitgefühl kannte keine Grenzen. Und so muss vielleicht konstatiert werden, dass der Fußball nicht mehr als eine Nebensache ist. Aber er ist eine Nebensache sein, die verdammt viel Gutes bewirken kann.

Für Christian

Nachdem der Spielbetrieb wieder aufgenommen wurde, kämpfte sich die Mannschaft in die Winterpause. Einerseits war an Taktiken oder Erfolge nicht mehr zu denken, die Ambitionen schienen für eine Zeit komplett über Bord geworfen zu sein. Andererseits wollte man – auch auf explizite Ansage seines Bruders Tardeli – diese Saison “für Christian” spielen. Jedes Tor, jeder Punkt und jeder Sieg sollte Christian gewidmet sein. Sein Trikot hängt genauso in der Kabine wie in allen Spielen zuvor, er ist weiter ein Teil der Familie. Christian hilft der Truppe regelmäßig dabei auf dem Boden zu bleiben. Und er hilft dabei, die nötige Motivation in manch schweren Spielen wieder zu entfachen. Und wie gut er diese Aufgaben bisher erledigt hat, sieht man beim Blick auf die Tabelle…

15 Siege in Folge – Meisterfeier in Schwagstorf verpasst

Mit der Maximalausbeute von 10 Siegen aus 10 Spielen ging es in die Winterpause, in welcher die Mannschaft erstmal abschaltete und etwas Abstand nahm. Diese Hinrunde war schon historisch gut, sollte aber nach der Pause bestätigt werden.

Trainer und Mannschaft trotzten den schlechten Trainingsbedingungen in der ungeliebten Wintervorbereitung und kamen gut in die ersten Rückrundenpartien, die im Übrigen alle auswärts stattfinden. Corona brachte auch hier den Spielplan etwas durcheinander, doch die ersten fünf Spiele konnten weiterhin gewonnen werden. Ein Meilenstein stellte ein überzeugender 2:0 Sieg beim TV 01 Bohmte dar, mit welchem ein Konkurrent endgültig abgeschüttelt wurde.

Es war also bereits 3/4 (!) der Saison gespielt und der TSV Venne hat tatsächlich alle (!) Spiele gewonnen. Die große Stärke war, dass eben auch die knappen Duelle immer für rot-weiß ausfielen. Es gab genügend Spiele, in welchen sich die Mannschaft nicht über einen Punktverlust hätte beschweren müssen. Doch der Siegeswille, eine hohe individuelle Qualität und nicht zuletzt die nötige Fitness sorgten für die langanhaltend weiße Weste.

Das Derby gegen den Nachbarn SG Ostercappeln/Schwagstorf, welches im Hinspiel (2:0) ein wie eben erwähnt knappes Duell war, welches der TSV erst in den letzten zehn Minuten für sich entschied, fand coronabedingt erst am Mittwoch, den 04.05.22 statt. Das hinderte aber zahleiche Venner-Fans nicht daran, den kurzen Weg auf sich zu nehmen und einen Großteil der ca. 300 Fans am Schwagstorfer Sportplatz auszumachen. Denn eins war klar: Mit dem 16. Sieg in Serie hätte die Meisterschaft rechnerisch festgestanden!

Um es kurz zu machen: Das ist Fußball. Natürlich war es ausgerechnet dieses Spiel, in welchem der TSV erstmals seit zwei Jahren ein Ligaspiel verlor. Natürlich war es dieses Spiel, in welchem man erstmals richtig Personalnot hatte, von welcher man zuvor zum Großteil verschont blieb. Und natürlich traf man auf einen hochmotivierten und formstarken Gegner, welcher der Mannschaft, die sich mit dem Kopf vielleicht schon zu sehr bei der Meisterschale befand, kämpferisch und läuferisch den Schneid abkaufte.

Meister auf dem Sofa

Vielleicht wäre es auch zu viel des Guten gewesen. Dass es sich einige Fans und Spieler nicht nehmen ließen, trotzdem auf die bisherigen Erfolge anzustoßen, brauchen wir nicht erwähnen. Und eine weitere kleine Feier hat es bereits am Sonntag, den 08.05.22 gegeben. Die SG Ostercappeln/Schwagstorf bestätigte ihre Form und gewann auch in Bohmte, wodurch die Meisterschaft für den TSV Venne auch rechnerisch feststand. Über WhatsApp wurde fleißig eingeladen und schnell fanden sich ca. 30 Personen für einen kleinen Umtrunk am Clubhaus ein.

Die Meisterschale wird voraussichtlich eine Woche später bei der Partie in Vehrte übergeben, anschließend wird auch hier ein wenig gefeiert. Und das haben sich alle Beteiligten auch mehr als verdient. Egal ob Spieler, Trainer, Betreuer, Fans oder Sponsoren: Jede und jeder hat seinen Teil zu einem historischen Erfolg beigetragen. In sportlicher wie auch in menschlicher Hinsicht.

Aufstiegsrunde in die Bezirksliga am 01., 08. und 11. Juni

Klar ist aber auch: Die ganz große Euphorie ist noch nicht ausgebrochen. Zum einen deutete sich die Meisterschaft am Ende zu sehr an, zum anderen gleicht eine Meisterschaft in diesem Jahr noch keinem Aufstieg. Die drei Kreisligen wurden aufgrund von Corona in diesem Jahr in vier kleinere Ligen aufgeteilt – aufsteigen dürfen aber trotzdem nur drei Mannschaften. Und so kommt es zu einem an Dramatik und Spannung nicht zu überbietenden Wettbewerb: Alle vier Meister treffen in einer Aufstiegsrunde direkt aufeinander. Jeder gegen Jeden auf neutralen Plätzen. Nur die “Ersten Drei” steigen auf.

Die Spieltermine finden am 01., 08. (beide mittwochs) und 11. Juni (samstags) statt. Das letzte Duell steigt auf der Anlage des BW Schinkel, alle vier Teams spielen dort parallel. Wir können noch nicht ganz einschätzen, was auf unsere Jungs vor allem psychologisch zukommt. Aber eins ist sicher: Das werden drei absolut einzigartige Spiele. Und allein die Teilnahme an diesem Wettbewerb wird für einen Großteil der Amateurkicker ein Highlight ihrer Karriere darstellen.

Nach aktuellem Stand heißen die Gegner Spvg. Fürstenau (Norden), Hagener SV (Süden) und SV Rasensport (Stadt), wobei vor allem im Süden noch ordentlich Spannung herrscht und Kloster Oesede leicht favorisiert gilt.

Der Ausgang ist vollkommen offen. In diesen Spielen kann alles passieren, vorherige Mutmaßungen sind komplett fehl am Platz. Der gesamte Verein freut sich jedenfalls auf diese Festtage und die Gegner können sich genauso auf reiselustige Zuschauer aus Venne freuen. Und eins ist sicher: Steigt diese Mannschaft auf, dann gibt es in Venne kein Halten mehr.